„In dieser Stadt herrscht Größenwahn“

Regensburg. Obwohl Regensburg derzeit mit Baustellen buchstäblich übersät zu sein scheint, wird bezahlbarer Wohnraum für die niederen und mittleren Einkommen immer knapper. Der Regensburger Mieterbund sieht insbesondere in Spekulationen mit Baugrund eines der Hauptprobleme. TITELTHEMA Februar

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Wir haben mit Werner Hinreiner vom Mieterbund Regensburg gesprochen. Der Mieterbund ist vor kurzem aus dem „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ ausgetreten, in dem auch die Stadt mit von der Partie ist. Ein Argument: die „bedenkliche Nähe der Stadt zu Bauträgern“.

Herr Hinreiner, der Mieterbund beklagt schon länger, das die Stadt nicht genügend gegen Spekulationen mit Baugrund unternehmen und diese gar anzuheizen würde. Ist die Stadt in üble Machenschaften verwickelt?

Die Stadt ist sicherlich kein Profiteur dieser Spekulationen. Aber sie überlässt den Wohnungsmarkt den freien Marktkräften und geht nicht mit dem erforderlichen Nachdruck vor.

Was läuft denn Ihrer Meinung nach bezogen auf den Wohnungsbau falsch? Was hat es mit diesen Baugenehmigungen auf sich?

Die Stadt erteilt jedes Jahr eine gewisse Zahl an Baugenehmigungen. Das sind seit 2007 stets über 1.000 genehmigte Wohnungen pro Jahr gewesen. Die Fertigstellung der dann geplanten Gebäude zieht sich meistens über einige Monate bis über ein Jahr hin. Daraus ergibt sich am Jahresende immer eine Differenz zwischen Baugenehmigungen und fertigestellten Wohnungen.

Es gibt immer einen gewissen Überhang an genehmigten, aber noch nicht fertig gestellten Wohnungen. Das ist bis zu einem gewissen Grad völlig normal. In Regensburg ist dieser Überhang nun aber seit einigen Jahren auf einem Niveau, das sich nicht mehr ohne weiteres erklären lässt. Von 2007 bis 2016 ist der Überhang auf 3.587 offene Baugenehmigungen gestiegen. Das ist eine Verdreifachung. Wir können uns das nur so erklären, das hier mit genehmigtem Baugrund spekuliert wird, statt ihn zu bebauen.

Gibt es keine andere Erklärung für diesen Überhang?

Anton Sedlmeier vom Amt für Stadtentwicklung redet sich immer darauf heraus, dass nicht genügend Kapazitäten bei Baufirmen vorhanden wären. Dies trifft sicherlich bis zu einem bestimmten Punkt zu, liefert aber keine Erklärung für diesen enormen Überhang.

Die Stadt könnte zudem relativ einfach dazu beitragen, dass Baugrund schnellstmöglich bebaut wird. In Berlin zum Beispiel gibt es ein Baugebot der Stadt, das sogar die Möglichkeit der Enteignung einräumt, wenn nicht innerhalb eines festgesetzten Zeitraums gebaut wird. Festgelegt wird so etwas in privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen Stadt und Investoren.

Die Stadt Regensburg macht nach eigener Aussage ebenfalls Gebrauch von solchen Vereinbarungen. Das lässt sich leider schlecht nachweisen, da wir nur wenig Einblick bekommen und man sich seitens der Stadt in den Datenschutz flüchtet. Wir müssen also oft spekulieren und Vermutungen anstellen. Aber am Nibelungenareal hat man beispielsweise gesehen, dass dort bis heute noch nicht die versprochenen öffentlich geförderten Wohnungen gebaut wurden.

Momentan wird ja überall im Stadtgebiet gebaut. Dennoch scheint sich der Wohnungsmarkt nicht zu entspannen. Was läuft in Ihren Augen falsch?

 

Derzeit herrscht Größenwahn in der Stadt: mehr Einwohner, mehr Studierende, mehr Touristen. Die Stadt muss endlich aufhören, sich als Standort für alles Mögliche profilieren zu wollen. Einzelne Gebiete im Einzugsgebiet sind unterversorgt und Dörfer sterben regelrecht aus. Ein Zusammenspiel von Stadt und Landkreis wäre notwendig. Zudem müsste die Altstadt entzerrt werden.

Sie haben den Tourismus kurz erwähnt. Auch der Markt mit Ferienwohnungen nimmt weiter zu. Drohen uns bald venezianische Verhältnisse? In Venedig wohnen mittlerweile kaum noch Einheimische im Zentrum der Stadt.

 

Ferienwohnungen entziehen der Stadt definitiv Wohnraum. Zwar müssen mittlerweile Anträge gestellt werden, die aber bisher alle genehmigt wurden. Und bevor versucht wird, den Tourismus mit den Bedürfnissen der Stadtgesellschaft in Einklang zu bringen, bejubelt man eine Million Übernachtungen im Jahr 2016.

Sabine Thiele von der städtischen Tourismus GmbH sagt gar: „Wir vertragen auch 1,2 Millionen.“ Wie sich das mit der Weltkulturerbe-Charta der Unesco verträgt, in der steht, dass das Welterbe zuerst den Einwohnern zugute kommen soll, weiß wohl niemand.

Was müsste geändert werden, damit sich der Wohnungsmarkt möglichst schnell wieder auf einem verträglichen Niveau einpendelt?

Wir sehen uns als Kritiker, die sagen können was falsch läuft, können aber keine endgültigen Lösungen geben. Der soziale Wohnungsbau muss dringend vorangetrieben werden. Es muss zudem ein Schwenk weg von der Subjektförderung, zum Beispiel durch Wohngeld, hin zu Objektförderung – günstige Mieten – vollzogen werden.

Gutes Wohnen bedeutet unserer Ansicht nach Begrünung, ÖPNV-Anbindung und Nachbarschaft. Das alles ist Teil der Wohnungsbaupolitik. Um diese Bedürfnisse zu bündeln, wäre es zuvorderst notwendig, ein eigenes Wohnungsamt bei der Stadt anzusiedeln und das nicht über verschiedene Unterabteilungen verschiedener Referate zu zersplittern. 

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