Von wegen verstaubt: Lebendiges Schatzkästchen der Stadt

Im Schwandorfer Stadtarchiv lagern abertausende historische Schätze, jeder Einzelne ein wertvoller Blick zurück in die Vergangenheit. Ein Besuch.

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Unten, in der letzten Etage des Schwandorfer Rathauses, befindet sich eine wahre Schatzkammer. Fast unscheinbar verbirgt sie sich hinter einer unauffälligen Tür, die mehr wie der Zugang zu einem Abstellraum wirkt, so wie eine Kammer ohne besondere Stellfläche. Doch wer diese Türe öffnet, findet dort einen weitläufigen Raum, links und rechts jeweils umrahmt von riesigen Magazinschränken. Im inneren dieser Lagerstätte befindet sich ein großer Teil der rund 330.000 Bestände, die das Schwandorfer Stadtarchiv aufbewahrt.

Die dortigen Dokumente legen ein lebendiges Zeugnis der Stadtgeschichte ab, beginnend mit dem ältesten Fundstück aus dem Jahr 1452. Gesäumt durch drei Siegel, von denen zwei noch weitgehend erhalten sind, beurkundete es dereinst eine Schenkung an das Bürgerspital. Viele Unterlagen des Archivs entstammen wie diese dem Verwaltungshandeln der Stadt: Es sind Bauanträge, Geburts- und Sterbedaten, Daten aus dem Standesamt. Oder anders gesagt: Es ist die typische, wenn auch wechselvolle Geschichte einer Stadtverwaltung.

Umfassende Stadtgeschichte

Aber diese eher bürokratischen Bestände sind lediglich ein Teil dessen, was tatsächlich im Archiv lagert. Zur Geschichte der Stadt gehören auch die Dokumente von Vereinen sowie die Nachlässe ihrer Bürger, die Unterlagen all jener Organisationen und Menschen, die Schwandorf im Laufe der Jahre geprägt haben. Hinzu kommen zahlreiche andere Bestände, etwa alte Zeitungen bis zurück ins 19. Jahrhundert oder historische Luftaufnahmen, die Schwandorf im Wandel zeigen. Sie alle füllen ganze Kisten, voll mit Bildern und Schriftstücken, die einen authentischen und gerade deshalb wertvollen Blick zurück in die Vergangenheit eröffnen.

„Herrscher“ über diesen historischen Schatz ist Josef Fischer, seit 20 Jahren Leiter des Schwandorfer Stadtarchivs. Fischer hat eigentlich die klassische Verwaltungslaufbahn eingeschlagen, arbeitete zeitweise sogar in der Kämmerei, bevor er 1998 nach Schwandorf kam. Beim Antritt seiner neuen Stelle fand er seine Wirkungsstätte damals in einer gewissen Unordnung vor, erinnert er sich im Gespräch mit dem Ostbayern-Kurier: Die Mitarbeiter im Archiv haben fast halbjährig gewechselt, die Bestände waren über die gesamte Stadt verstreut, eine Systematik nicht erkennbar.

 

Stadtarchiv ist eine Instanz

Kurzum: Es musste erst einmal viel grundständiges bewältigt werden, ehe sich der neue Archivar mit seinem eigentlichen Auftrag befassen konnte. Fischer schreckten diese Herausforderungen jedoch nicht ab: Vielmehr ergriff er die Initiative und konnte das Archiv schnell generalüberholen – auch weil er früh die Bedeutung einer systematischen Erfassung per EDV erkannte. Große Teile sind mittlerweile digital katalogisiert, obwohl aufgrund der schieren Menge an Material längst noch nicht alle Bestände erfasst werden konnten, wie Fischer bedauert.

Auch deshalb ist das Stadtarchiv heute eine Instanz, die sich im Vergleich mit größeren Archiven wie Amberg oder Regensburg nicht zu verstecken braucht. Das Spektrum derer, die das Stadtarchiv kontaktieren, ist entsprechend groß. Natürlich handle es sich bei vielen Gästen um Menschen, die sich schulisch oder beruflich mit einer historischen Thematik befassen, sagt dessen Leiter. Schüler der umliegenden Gymnasien, die eine Facharbeit schreiben müssen, trifft man hier ebenso wie Historiker – zum Beispiel den pensionierten Oberstudienrat Erich Zweck, der immer wieder fundiert über die Geschichte der Großen Kreisstadt publiziert. Grundsätzlich aber steht das Stadtarchiv jedem Bürger offen, das ist Fischer wichtig.

Anfragen aus aller Welt

Rund 400 Bürgeranfragen erhält er pro Jahr, davon gut 200 aus dem Ausland. „Etliche Anfragen kommen aus Amerika, aber auch aus Australien hat uns schon einmal eine Nachricht erreicht“, erinnert sich Fischer. Dabei gehe es meist um Fragen der Familienforschung, beispielsweise wenn Angehörige in den Unterlagen Verstorbener darauf stoßen, dass sich diese zeitweise in Schwandorf aufgehalten haben. Das Stadtarchiv ist dann oft der erste Ansprechpartner für eine weitere Recherche, um deren Weg zu rekonstruieren.

Andere Anfragen hingegen sind trivialer: Manchmal melden sich etwa Leute, die ihren Großeltern ein besonderes Geschenk machen möchten, indem sie eine Zeitung von ihrem Geburtstag auftreiben. „Das ist teilweise ein großer Spaß, wenn sie schauen können, was damals los war oder wer damals im Fußball gewonnen hat“, erklärt er. Wo immer es möglich ist, bemüht sich Fischer mit seinem Team, diese Anfragen zu beantworten. Schließlich soll das Stadtarchiv ein Partner der Bürger sein, eine verlässliche Unterstützung auf der Suche nach historischen Materialen und Quellen.

Verantwortungsvolle Aufgabe

Mindestens ebenso wichtig, wenn auch in der Öffentlichkeit weniger sichtbar, ist dagegen die kontinuierliche Pflege des Archivs. Dazu gehört der Ankauf neuer Materialien, die Erfassung neuer Bestände und die Mitwirkung an Ausstellungen. Das ist mitunter eine verantwortungsvolle Aufgabe, vor allem bei der Frage, welche Materialen aufgenommen und welche aussortiert werden. „Wenn ich etwas nicht aufnehme“, sagt Fischer, „ist das im Regelfall für immer verloren.“ Es erfordert viel Augenmaß und Fachkenntnis, diese Entscheidung je nach Einzelfall treffen zu können.

Doch Fischer ist ein absoluter Experte auf dem Gebiet. Seine jahrelange Erfahrung und seine Begeisterung für die Aufgabe hat ihn gelehrt, mögliche Bestände hinsichtlich ihrer historischen Relevanz einzuschätzen. Der Archivar hat sich sogar im Selbststudium beigebracht, altdeutsche Schrift zu lesen – damit er mögliche Dokumente richtig beurteilen kann. Und dieses Engagement, diese Leidenschaft für die Stadtgeschichte wirkt sich wiederum positiv auf das Archiv als Ganzes aus: Nicht umsonst gilt es heute als eines der besten, die in der Oberpfalz zu finden sind.

Interessierte Bürger haben jederzeit die Möglichkeit, Kontakt mit dem Stadtarchiv aufzunehmen. Es hat zu den üblichen Geschäftszeiten des Rathauses geöffnet. Telefonisch ist es unter der 09431 – 45245, per Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. erreichbar. Die Nutzung ist grundsätzlich kostenlos, nur Kopien kosten einen kleinen Betrag.

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